Zurück in der Hauptstadt Bogotá, dem Wirtschaftszentrum Bogotás. Mit knapp neun Millionen Einwohnern ist sie die mit weitem Abstand größte Stadt Kolumbiens. Zugleich in der Top 3 Südamerikas zu finden, nach Sao Paolo und Buenos Aires. Bogotá liegt auf über 2.500 m Höhe, umgeben von majestätischen Berglandschaften und kleinen Bergdörfern. Den fehlenden Sauerstoff spürt man unweigerlich beim Treppengang zu unserem tollen Appartement im zehnten Stock. In der Metropole Bogotá trifft kolumbianische Tradition auf noch nicht weitreichende moderne Wirtschaftsstrukturen. Zahlreiche amerikanische, europäische und mittlerweile auch chinesische Firmen lassen sich hier nieder. Der Grund ist naheliegend: Niedrige Steuern, günstige und motivierte Arbeitskräfte. Wer für eine dieser ausländischen Firmen arbeitet, muss zwischen zehn und zwölf Stunden fünf Tage die Woche aufwenden. Und das bei einem Stundenlohn unterhalb fünf Euro. Immerhin fast doppelt so viel wie der kolumbianische Durchschnittsverdienst. Die Haupt-Voraussetzung für einen Job in einem der westlichen Konzerne: die englische Sprache beherrschen. Die Colombianos jedenfalls sind froh über die ausländischen Firmensitze in ihrem Land, denn es ermöglicht ihnen Reisen in andere Länder und Kontinente, was für das nicht englischsprachige Arbeitervolk eher eine Utopie darstellt, sofern sie nicht gerade erfolgreiche Drogenhändler sind.
Speziell in Bogotá wird in sechs Einkommensklassen differenziert: In der Sechsten sind alljene anzusiedeln, die mindestens einen durchschnittlichen europäischen Verdienst nachweisen können. Sie können ein baba Leben in Bogotá genießen. In der Ersten Einkommensklasse sind diejenigen, die sich gerade so über Wasser halten können. Die meisten Taxifahrer (davon gibt es hier einige) finden sich in der Zweiten wieder. Taxifahrer mieten in der Regel ein Auto von einer entsprechenden Firma (sie haben zu wenig Geld, um sich selbst eins anzuschaffen) und müssen für Sprit, Öl, etc. selbst aufkommen. Größere Reparaturkosten übernimmt die Firma. Ein von uns befragter Fahrer arbeitet vierzehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Pro Tag bleiben im Schnitt 100 mil Pesos über. Das sind rund 25 Euro. Summa summarum sind das nicht einmal zwei Euro die Stunde. Davon ernährt er seine sechsköpfige Familie, zahlt Miete und die Schulgebühren seiner Kinder. Wie er das macht, bleibt uns ein Rätsel. Eigentlich bin ich Taxi-Gegner, aber in Bogotá ist es sehr günstig und praktisch. Die dreißig minütige Fahrt an den Flughafen kostete mich sieben Euro. Die Transmilenio (Busse) habe ich ebenfalls getestet. Das Straßennetz allerdings kompliziert und unwesentlich günstiger als Taxis.
Das Geld-Thema ist in ganz Kolumbien allgegenwärtig. Gespräche innerhalb der Familie sowie zwischen Freunden und Bekannten über die finanzielle Situationen sind die Regel. Der nachvollziehbare Neid über unser Einkommen löst spürbare Empörung aus, ja fast sogar krasses Entsetzen. Auch wir haben das mehrfach hautnah spüren dürfen. Zigmal wurden wir nach Geld oder Essen gefragt. Von Indigentes (Obdachlosen), aber auch von Leuten, mit denen wir uns zuvor angefreundet hatten. Eine sehr unangenehme Sache, da wir natürlich mit ihnen teilen wollen, es aber auch nicht zum Dauerzustand werden kann. Sicherlich stellte dies eine der größten Herausforderung für uns dar. Wir haben uns meistens dazu entschlossen, mit ihnen Essen zu teilen. Der Kontakt zu genau diesen Freundschaften hat dann aber nie lange gehalten. Am Ende meiner Reise haben wir Klamotten und zuvor gekaufte Trikots an Obdachlose und Kinder verschenkt, die sich extrem darüber gefreut haben. Ein gutes Gefühl. Somit war auch wieder mehr Platz in meinem Maleta (Rucksack) für 'Mitbringsel'.
Mitbringsel in Form von Retro-Fußballtrikots. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen während des Aufenthaltes in Bogotá. Wahre Schmuckstücke habe ich gefunden. Sehr zu empfehlen ist die Tienda 'Flashback Retro Futbol' in der Calle 61 con la Décima. (Orte in Kolumbien gibt man immer als Schnittstelle von Calles und Carreras an. Denn Calles verlaufen von West nach Ost und Carreras von Süd nach Nord, wodurch sich logischerweise eine Schnittstelle ergibt).
Zu erwähnen wäre da dann noch die Nuss. Besser bekannt unter 'Nüssle'. Einige in der Heimat kennen sie bereits. Die Mini-Bong ist ein Naturprodukt aus 'Chonta', einem seltenen Holz, das vorwiegend in Equador anzutreffen ist. Bereits auf meiner letzten Reise hat mir mein Amigo Stephane damit eine große Freude gemacht. Auf dieser Reise habe ich das 'Nüssle 2.0' entdeckt. Die konsequente Weiterentwicklung der alten, rein aus Chonta bestehenden Pfeife, besitzt einen Grasspeicher aus 'Tagua' und ein Mundstück aus Chonta. Tagua, man mags kaum glauben, ist der Samen der 'Steinnuss-Palme'. Getrocknet härten diese Samen aus und sind dann unkaputtbar. Die ultimativen Voraussetzungen für ein Naturprodukt der Extraklasse. Die in die Tagua-Nuss eingravierten Muster (pure Handarbeit) in Kombination mit dem längeren Mundstück lassen das Nüssle in neuem Glanz erscheinen. Aromatisch. Praktisch. Gut. Pünktlich zu Beginn der längst überfälligen Cannabis-Legalisierung kann sich jeder, der ein Nüssle erwerben möchte, sehr gerne bei mir melden.
In Bogotá stand primär Regeneration auf dem Programm. Leckeres Essen und Trinken sollten dabei unterstützen. Zahlreiche sehr gute Restaurants sind in der Hauptstadt anzutreffen. Unser Highlight: Buffet King Asia Art. Ein Buffet der Extraklasse. Für'n Zehner. Der kulinarische Flop war das 'Nationaldessert: Heiße Schokolade mit Käse und Brot. Was ein Schwachsinn... Den besten Drink kann man auf der 'Septima' kaufen. Can de azúcar con lemon. Deliciosa! Die lange Einkaufsstraße hält, was sie verspricht. Bis in die Nacht hinein werben Straßenverkäufer für ihr Produkt. An Wochenenden trifft man dort auf Straßenkünstler aller Art. Was mir in Kolumbien abhanden gekommen ist: Das Verlangen nach Fleisch. Ein Grund dafür ist sicherlich das Zuschaustellen der toten Tiere und die Art und Weise, wie sie ihre Würstchen auf der Straße grillen. Sehr unappetitlich. Seit einigen Wochen ernähre ich mich daher ausschließlich vegetarisch. In Bogotá gibt's sehr leckere vegetarische Optionen, was insgesamt in Kolumbien aber eher die Ausnahme ist.
Dann war's soweit: Mein erstes spanisches Buch. Es hat den Titel 'A lomo de mula' (auf dem Buckel eines Maultiers) und handelt von der 'Farc'. Die Farc ist die wohl bekannteste Guerrilla-Gruppierung Kolumbiens. Der Konflikt zwischen dem Staat Kolumbien und den Guerillas ist eine wohl never ending story. Nachdem ich meine drei deutschen Bücher von daheim nach der Militärkontrolle nahe Medellín verloren habe, war Platz für ein Neues. Lesen auf Spanisch ist herausfordernd. Notwendig ist eine Übersetzungsapp, da ich auf einige neue Wörter stoße. Was ich mir auf dieser Reise angeschafft habe: Ein Vokabelheft. Mit allen relevanten Wörtern, die mir auf meiner Reise und im Buch begegnet sind. Darunter auch einige 'Groseros' (Schimpfwörter). Übrigens: In der Karibikregion pfeift man einer vorbeilaufenden Frau, die einem gefällt, hinterher und ruft 'princesa, amor', gefolgt von einem Luftkuss in Kombination mit der passenden Handbewegung. Wie Paloma, die Besitzerin einer dortigen Bar, gesagt hat: 'Es muy natural'. Sprich einigen Frauen gefällt diese Art, begehrt zu werden. Bei der deutschen Feministin hätte man vermutlich eine Anzeige am Hals. So unterschiedlich können Welten sein.
Mein Spanisch hat ein neues Level erreicht. Sehr glücklich und stolz bin ich über diese Entwicklung. Nach sechs Monaten in spanisch-sprachigen Ländern kann ich von mir behaupten, dass ich mich sehr gut auf Spanisch verständigen kann. Die Grammatik sitzt größtenteils, pasado y futuro so langsam auch. Es hat sich wieder einmal bewahrheitet: Nur durch Sprechen kann man eine Sprache erlernen. Da wir uns größtenteils mit Locals rumgeschlagen haben, die kein Englisch sprechen, begeben wir uns zwangsläufig in eine Situation, wo wir unser bestes Spanisch rauskloppen müssen, um uns mit ihnen verständigen zu können. Latinas sind zudem ein echter Gamechanger. Sie helfen einem sehr gerne.
Meinen KKK konnte ich während der Reise ausgiebig testen. Am Strand, im Park, im Flughafen. Egal wo, hat mich der Reise-Rucksack im Handumdrehen in den Relaxe-Modus versetzt. Saubequem und total easy zum Auf- und Abbauen. Er wird auch für die nächsten Abenteuer mein treuer Wegbegleiter sein.
Nach exakt neun Wochen im Land der Koksnasen heißt es 'Abschied nehmen'. Zum Frühlingsanfang geht's zurück in die doch so schöne Heimat. Voller Vorfreude und etwas Wehmut, denn der Abschied aus Kolumbien fiel mir definitiv nicht leicht. Vor allem von Schorschi. Wir haben uns prächtig verstanden und ergänzt. Er wird nun ohne mich durch Kolumbien dribbeln. Zuhause warten zahlreiche spannende Projekte auf mich. Mit einer großen Portion Dankbarkeit im Gepäck geht ein Flieger zunächst nach Montreal und ein Weiterer nach Frankfurt. Flugzeit: zweimal rund sieben Stunden. Bobby's Reise wird weitergehen. Wann und wohin steht noch in den Sternen. Eine Idee habe ich bereits. Von dieser Reise wird's in naher Zukunft Video-Highlights geben, veröffentlicht auf demselben Blog. An dieser Stelle genug des Guten und Respekt, wer sich diesen Mördertext bis hierhin durchliest. Es folgt mein Schlusszitat.
'Die Art und Weise, wie man durch Länder dieser Erde reist, entscheidet darüber, wie man von dieser Reise wieder zurückkehrt'.
Euer
Bobby
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