Trekking Inka-Trail

Veröffentlicht am 4. Juni 2023 um 05:50

Vorwort

Diese Wandertour soll ein Geheimtipp sein. Sie führt auf einem von den Inkas erbauten Pfad von San Francisco nach Tilcara. Ich bin zufällig bei Reiseanbietern im Internet darauf gestoßen. Im Verdacht solche Wandertouren zu erleben, habe ich meinen großen Backpack bereits in Buenos Aires durch einen kleineren Rucksack eingetauscht. Nichtsdestotrotz sind es mit 3 Litern Wasser, Ollo's Espressokocher, 27 Müsliriegel, Coca-Blättern und Camping-Equipment sage und schreibe 17 kg. Mein körperlicher Zustand (besonders die Lunge) schreit nicht gerade nach 66 km mit 6.800 Höhenmetern auf über 4.000 Metern ü.n.N. Dennoch habe ich mich der Herausforderung gestellt. Mit Erfolg! Auf Unterstützung in Form eines Esels und eines Guides habe ich bewusst verzichtet. Im Wesentlichen aus drei Gründen: Geiz, Ehrgeiz, Tierquälerei.

Von Salta aus geht es nach Ledesma - einem Ort am Rande der Yunga-Wälder. Am nächsten Morgen mit dem Bus (der lästerlich nach Benzin gestunken hat) hoch nach San Francisco, dem Ausgangspunkt der Tour. Auf 1.500 m hoch gelegen erfährt man hier einen ersten Einblick in die nordargentinischen Bergdörfer. Hier gibt es allerdings noch so ziemlich alles, was man als Zivilisation bezeichnen könnte. Die besten Empanadas während meines gesamten Argentinien-Aufenthaltes habe ich bei Señora Marta gegessen. Delicioso!


Tag 1: San Francisco a San Lucas

Es geht los nach San Lucas. Die erste Etappe hat es bereits in sich: 14 km mit 1.400 Höhenmetern. Sie führt durch die herrlichen Yunga-Wälder. Zahlreiche Kondore sind am Horizont zu beobachten. Man hört deren Luftzug, wenn sie über einem fliegen. Tucane und kleine Cai-Äffchen konnte ich ebenfalls beobachten. Begegnet sind mir während der ersten Etappe 3 Personen und ein Esel. Kurz vor San Lucas dann noch einmal mehrere Männer, die 5-meterlange Metallrohre sowie Photovoltaik-Module nach San Francisco geschleppt haben. Auf den Schultern und mit dem Sackkarren. Da war ich mit meinen 17 Kilogrämmchen sicherlich besser dran.

Nach rund 5 h bin ich völlig erschöpft in San Lucas bei Señora Teresa angekommen. Sie und ihr Mann Isaac haben mich herzlich empfangen. In San Lucas leben 14 Personen, darunter drei Kinder. Es gibt eine Schule, eine Kirche und natürlich einen Fußballplatz. Aber nichts war's mit Ausruhen: Teresa hat mich direkt zum Arbeiten eingespannt. Zum Glück eine einfache: Zwei Maiskolben zusammenflechten, um sie am kommenden Tag an einer Wäscheleine zum Trocknen aufzuhängen. Dann gab's Kaffee und Melissen-Tee mit Coca. Gekocht wird alles in einem kleinen Häuschen, wo offenes Feuer gemacht wird. Gegen Abend ist dann ein heftiger Nebel aufgezogen. Gesehen hat man draußen so gut wie nichts mehr. Nur gehört. Und zwar die Stimmen eines Franzosen, der es gerade noch so kurz vor Einbruch der Dämmerung nach San Lucas geschafft hat. Er hat dasselbe Ziel wie ich. Wir haben uns sofort gut verstanden und beschlossen, uns gemeinsam nach Tilcara aufzumachen. Abends gab's dann noch leckeres Abendessen und interessante Gespräche mit Teresa. Verstanden habe ich vielleicht die Hälfte. Aufjedenfall hat sie sich über finanziell schwierige Situation in Argentinien beschwert (was ganz Neues für mich). Alex (der Franzose) und ich beschlossen daraufhin, ihre Unterkunft auf einer Internetplatform bekannt zu machen, um mehr Einnahmen mit ihrer Unterkunft generieren zu können. Denn Internet gibt es in San Lucas keines. Aber ein Telefonanschluss und Radioempfang. Radio ist in den Bergen sehr wichtig sagte sie, da so wichtige Nachrichten anderer Bergbewohner übermittelt werden können. Jeder in dieser Region hört denselben Sender.


Tag 2: San Lucas a Laguna Negra

Nach dem Frühstück (Tortillas und Tee) und dem Abschiedsfoto geht's gemeinsam mit Alex weiter Richtung Molulo, dem eigentlichen Etappenziel des zweiten Tages. 18 km und 2.600 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Nach wenigen Metern haben wir die 90-jährige Dorfbewohnerin Ramon getroffen, die anhand ihrer markanten Kleidung ein Unikat darstellt. Sie hat uns rund 30 Minuten einen Monolog gehalten. Verstanden haben wir so gut wie nichts. Weiter geht's stark ansteigend hoch durch Erlen- und Eibenwälder, bis wir zum ersten Mal 2.400 m erreichen. Mir war bereits nach 2 h bewusst, dass Molulo nicht unser heutiges Etappenziel wird. An einem herrlichen Aussichtspunkt angekommen, haben wir uns ein kleines Niggerchen gegönnt. Von dort aus haben wir ein Haus nahe der Laguna Negra erkennen können. Unsere Chance für Abendessen. Dort lebt eine Familie mit drei Kindern. Der 15-jährige Abraham zeigte uns unseren Schlafplatz auf einer überwältigenden Pferde- und Schaasfweide. Die 23-jährige Guadeloupe brachte uns unser Abendessen sowie Mate-Cozido (Tee). Am Lagerfeuer haben wir bis in die Nacht hinein gesessen und die unglaubliche Landschaft genießen können. Die Angst vor dem Jaguar, der in dieser Region immer mal wieder gesichtet wird, brachte uns nicht aus dem Konzept. Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen hätte schöner nicht sein können. Nach dem Frühstück, das uns Guadeloupe gebracht hat, geht's weiter Richtung Molulo. Abraham hat uns noch ein Stück mit hoch begleitet. Ich habe ihm meine Hängematte sowie mein Feuerstahl vermacht, die ihm beide sehr gefallen haben.


Tag 3: Laguna Negra a Molulo

Der Weg führt vorbei am Friedhof von Molulo. Die Vegetation wird sichtbar weniger. Es dominieren Felsen sowie Pfade aus kleinen Steinchen. In Serpetinen steil hoch, bis wir uns zum ersten Mal auf 3.000 m über den Wolken befinden. Zur Feier des Tages gibt's Gipfel-Kaffee und -Mate. In Molulo angekommen haben wir zunächst in der Schule nach Schlafplatz gefragt, wurden dann aber in eine nahe gelegene Unterkunft einquartiert. Hier gibt's wieder Tee und Tortillas im traditionellen Räucherkämmerchen.


Tag 4: Molulo a Yuta Pampa

Im Nebel haben wir zum ersten Mal 3.500 m erreicht. Die Landschaft ändert sich erneut. Diesmal dominieren rote Erde sowie Steinhäufen verschiedenster Farben. Unter anderem blau und gelb. Froh waren wir, als wir bei Huairahuasi die zwei zusammen fließenden Flüsse als Trinkwasserquelle nutzen konnten. Da wir uns am kommenden letzten Tag der Tour ein paar Meter sparen wollten, haben wie den Anstieg nach Yuto Pampa gewagt. Das hatte schon fast etwas von Klettern. Der Wind, der dort herrscht, ist einem leichten Tornado gleichzusetzen. Den 1,45 m großen Hausherren hat's beinahe umgeblasen. Eine sagenhafte Landschaft mit zahrleichten Schaafen, Kühen, Ziegen und Eseln. Die Unterkunft auf 3.400 m Höhe war sicherlich die außergewöhnlichste von allen.


Tag 5: Yuta Pampa a Tilcara

Letzter Tag. Es geht noch einmal kräftig bergauf. Begleitet wurden wir dabei von extrem starkem Wind, der uns zu einigen Pausen gezwungen hat. Die Luft wurde mit jedem Meter spürbar dünner. Zum Glück habe ich vor der Wanderung Coca-Blätter gekauft, die extrem helfen, die Höhe zu überwinden. Coca gab's zu jedem Frühstück in Form von Tee. Von nun an werden die Blätter an eine Backenseite geschoben. Die Einheimischen schwören alle darauf. Zurecht!

Auf knapp 4.300 m Höhe angekommen, haben wir uns bei einem Flüsschen in die Sonne gepflanzt und relaxt. Dazu gab's wieder Kaffee und Mate con Coca. Die Landschaft nun wieder einmal völlig verändert. Diesmal dominiert eine sandige Ebene. Meime Kräfte sind völlig aufgebraucht. Umso besser, dass es von nun an nur noch bergab geht. Als mir Alex von seinem Plan erzählt hat, dass er noch den 5.000-er nebenan besteigen werde, habe ich kurz an seinem Verstand gezweifelt. Als ich die tiefe Überzeugung in seinen Augen gesehen habe, erschien mir jede Überzeugungsarbeit zwecklos. Hier trennten sich unsere Wege. Er gilt seitdem als verschwunden. Haha, Spaß. Er sollte ein wildes Abenteuer erleben. Aber mehr dazu später.

Der Weg bergab war pure Erleichterung. Begleitet wird man dabei von meterhohen Säulenkakteen, die an den Hängen wachsen. Vom Anblick auf die Quebreda Humuahuaca und auf Tilcara wurde ich die Serpetinen hinuntergetragen. Nach 5 harten Tagen, 66 km, 6.600 Höhenmetern auf 4.300 m ü.n.N. endet meine Tour am Hotel Casa Colorado. Noch einige Kilometer vor Tilcara. Das Hotel in den Bergen scheint sehr nobel zu sein. Also habe ich nach dem Preis für eine Nacht gefragt. 80.000 Pesos Argentinos ~ 400 Euro. Als ich daraufhin gefragt habe 'con mamada?' , musste sie lachen und ich war ihr sofort sympathisch. Sie hat mir vermutlich mein Leid angesehen und hat mir Kaffee, einen Fruchtsaft, Wasser und leckere Tortillas gebracht. Später dann noch einen Transfer ins benachbarte Tilcara organisiert. Alles umsonst. Über fehlende Gastfreundlichkeit kann man sich in Argentinien definitiv nicht beklagen.

Als mir der Taxifahrer von seinen drei Frauen sowie acht Kindern erzählt hat, wusste ich, dass die Polygamie im Norden Argentiniens dominiert. Sein erstes Kind hat er mit 15 Jahren bekommen. In Tilcara angekommen, das auf rund 3.000 m Höhe liegt, habe ich mir das nächst beste Hostel gesucht und habe mir nach 5 Tagen meine erste Dusche genehmigt. Als ich gerade schlafen wollte, klingelte mein Handy: Alex. Er hat es zwar bis nach oben geschafft, wurde allerdings fast von zwei Fröschen überwältigt und musste aufgrund des immer stärker werdenden Windes seine Tour abbrechen. Mit Steinen bewaffnet hat er bei Nacht den Rückweg angetreten. Er ist schließlich heil in Tilcara angekommen und wir haben die vergangenen Tage mit Milanesa und Pepsi revue passieren lassen. Verrückte Franzosen...

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