Elegant haben wir uns aus der Stadt in die von Nebel bedeckte Bergregion Medellíns gedribbelt. Diese Region ist teilweise noch unter Kontrolle von Drogenkartellen. Über Serpetinen führt die Strecke hinab ins tropische Klima der kolumbianischen Karibikregion. Die Ruta 25, auch 'Ruta del sol', hält, was sie verspricht. Die Qualität des Straßenbelags ist außerordentlich gut. Fast deutsche Verhältnisse. Für unsere jeweils erste Motorradfahrt hätten wir uns keine schönere Strecke vorstellen können. Atemberaubende Palmen-Alleen gefolgt von kleinen charmanten Städtchen, die auf ein Kaltgetränk einladen. Mein Favorit: Maracuja en leche, helada, pocito azúcar. Das kolumbiabische Hinterland hat Charme. Einen echten Einblick in eine Stadt haben wir bekommen, als wir unsere Motorräder reparieren haben lassen und mit den Einheimischen ins Gespräch gekommen sind. Schnell mussten wir feststellen, dass der karibische Dialekt eine echte Herausforderung für uns darstellt. Schnell und undeutlich reden die Landsleute in dieser Region. Einige unserer Gesprächspartner haben zum ersten Mal in ihrem Leben einen Deutschen zu Gesicht bekommen. Alle haben sich gefreut, uns zu sehen. Bis auf den Kollegen des Mechanikers, der unseren Schaden repariert hat. Er war sichtlich neidisch auf das Trinkgeld, das wir seinem Kollegen gegeben haben.
Nachdem die Schäden repariert waren, gings auf die letzte Etappe. Sonnenbrand hatten wir bereits. Motorradfahren hat uns sehr getaugt. Nicht zuletzt, weil es immer ein Abenteuer ist. Überholen links oder rechts, mit oder ohne Gegenverkehr. Die Straße ist (meistens) breit genug, sodass die entgegenkommenden Fahrzeuge auf den 'Standstreifen' ausweichen könnten. In Kolumbien heißt er vermutlich 'Ausweichstreifen'. In Straßenabschnitten gibt es sogar eine eigene Motorradspur. Das Motto 'wer nicht (waghalsig) überholt, ist kein Kolumbianer' gilt nicht nur für den Stadtverkehr in Medellín, sondern auch für die Karibikregion. Motorräder haben an den Mautstationen (Peajes) eine separate Spur und müssen nichts blechen 'Motos a la derecha'. Nach oder vor den Mautstationen kann man Supplies kaufen, wie etwa Reis, Obst, Gemüse, Kaffee, Kippen, Koks. Wir durften dort die süßesten Bananen unseres Lebens verköstigen.
Nach rund 48 Stunden (reine Fahrtzeit ca. 15 h) und zwei Übernachtungen sind wir heil und pünktlich zu Beginn des Haupt-Carnavals in Barranquilla angekommen. Geburtsort von Shakira und Stadt des amtierenden Meisters 'Junior Barranquilla'. Mit rund 1,2 Mio. Einwohnern viertgrößte Stadt Kolumbiens. Hier wird alljährlich ausgelassen Carnaval gefeiert. Der größte und traditionsreichste in Kolumbien. Sogar einer der größten Südamerikas. Aber später mehr dazu. Zunächst sollte ich noch erwähnen, dass wir den skurilsten Airbnb Aufenthalt unseres Lebens erlebt haben. Gewohnt haben wir mit einer Local-Family in deren Haus in einer ruhigen Gegend. Wir hatten da ein eigenes Zimmer. Ruby, die Besitzerin, ihre kleine Tochter und ihr Sohn Willy leben dort. Mehrere Männer gingen ein und aus. Es gab (Koks)-Frühstück ans Bett, laute Salsa-Musik im Vorgarten, jede Menge an lustigen Begegnungen, unerwartete Gespräche und Eindrücke.
Willy ist in unserem Alter. Sein Lebensmotto lautet 'yo vivo en el momento'. In der Tat kenne ich niemanden, der mehr im Moment lebt als er. Drei Tage wach. Und das zweimal in einer Woche. Jedenfalls haben wir uns prächtig verstanden und sind mit ihm und seinen Jungs um die Häuser und Straßen gezogen. Mehr local geht nicht. Der Carnaval in Barranquilla gefiel uns ebenfalls brutal gut. Vor allem die kleinen Straßencarnavals. Total überdimensionierte Musikanlagen dröhnen Salsa-Musik durch die Barrios. Dann gibt es da noch die großen Kostüm-Paraden auf der Via 40. Die haben wir uns nicht gegeben. Die kleineren Paraden in den Barrios sind bei weitem nicht so bunt und freizügig wie etwa in Rio. Dennoch spaktakulär. Anstatt Konfetti und Süßigkeiten gibt's Mehl und Sprühsahne. Die schmiert man Anderen ins Gesicht. Unangenehm, wenn's ins Auge geht. Aussehen tut man beschissen. Aber ist ja schließlich Carnaval. Einige Mono's (kolumbianisches Wort für Gringo's) wurden beklaut, nachdem sie mit Sprühsahne und Mehl erblindet wurden. Kleiner Tipp: Smartphone zuhause lassen, nur Bargeld mitnehmen. As usual.
Am meisten inspiriert hat uns Salsa-Tanzen. Vor allem Zuschauen und Staunen, wie gut Colombianos Salsa tanzen können. Kaum verwunderlich, da sie das in der Schule lernen (müssen). Das möchten wir auch so gut können. So hat es ein weiterer Punkt auf unsere Liste geschafft. Dazu wollen wir die Hauptstadt des kolumbiabischen Salsas bereisen: Cali. Einige Moves haben wir schon kennengelernt. Aber das sieht bei weitem noch nicht so elegant aus, wie wenn die Colombianos die Colombianos führen. Die Columbianas lieben uns trotzdem. Kaum verwunderlich.
Zu erzählen gäbe es einiges mehr. Aber genug an dieser Stelle. Eine Woche Barranquilla bedeutete jeden Tag Action und nur begrenzte Ruhezeiten. Schließlich möchte man ja auch nichts von dem Spektakel verpassen. Der Abschied fiel schwer. Aber die Natur ruft. Wir haben uns für ein Volunteering-Job via Worldpackers entschieden. Es geht in die Sierra fucking Nevada de Santa Marta. Dort werden wir einem Pärchen auf einer Farm unter die Arme greifen und dürfen als Gegenleistung für die Zeit bei ihnen wohnen und essen. Willkommene Abwechslung nach zwei Wochen Leben am Limit. Die Strecke von Barranquilla nach Santa Marta hat es in sich. Ein Blick auf die Karte lohnt sich. Sie eigent sich ideal zum Trampen.
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