Sierra Maestra

Veröffentlicht am 13. März 2024 um 18:06

Ein kolumbianisches Ehepaar hat uns nach nicht einmal fünfzehn minütiger Wartezeit aufgegabelt und nach Santa Marta mitgenommen. Von dort aus ging's weiter nach Bonda, wo wir uns beim Straßen-Barber noch unsere Mähne haben rasieren lassen. Die Zusammenkunft mit diesen Jungs sollte weitreichende Folgen haben. Denn sie haben uns gezeigt, wie man an der kolumbianischen Karibikküste redet. 'Hablá, caraverga' oder 'Hablá, cara de monda' als offensive, aber nette Begrüßung auf der Straße. So hatten wir das zumindest verstanden, ohne die wortwörtliche Übersetzung hinterfragt zu haben. Jedenfalls haben wir schnell erkannt, dass wir diese Sprachkenntnisse zu unseren Vorteilen nutzen können, wie in etwa beim Runterhandeln mit den Mototaxis. 

Dann ging's hinein in die Sierra Nevada de Santa Marta. Sierra Nevada heißt wörtlich übersetzt 'Schneefall-Gebirge'. Sie ist die höchste Küstenbergregion der Welt. Der Pico Cristóbal Colón reicht über 5.700 m hinauf. Und das gerade einmal wenige Kilometer vom Meer entfernt. Die Farm, auf der wir gelebt und gearbeitet haben, heißt Sierra Maestra. Juan, Sara und der kleine Andrei leben dort. Außerdem waren noch drei weitere Freiwillige am Start: Ashlyn (USA), Laura (Bogotá) und Luis (London). Nicht zu unserem Vorteil war es, als Kanú (Tim) den kleinen Andrei mit caraverga begrüßt hat. Immerhin wussten wir ab sofort, dass es sehr stark darauf ankommt, an wen man diese Worte richtet. Aber auch Sara hat sich deswegen nur kurz empört. Laura hat uns kurz darauf aufgeklärt. Caraverga ist gleichbedeutend mit Schwanzgesicht.

Laura aus Bogotá hat 8 Halbgeschwister. Einige kennt sie gar nicht (gut). Das sei wohl normal in Kolumbien. Wir wurden neugierig. Also hat sie uns ihren Familien-Stammbaum aufgemalt, der auf einen großen Teil der kolumbianischen Bevölkerung zutrifft. Jedes zweite Mädchen bekommt ihr erstes Kind vor ihrem 16. Lebensjahr. Auf dem Land sind es weitaus mehr. Viele Männer erleben die Geburt ihres eigenen Kindes nicht, da sie bereits ein weiteres mit einer Neuen gezeugt haben. Zunächst sehr verwirrend. Aber es ist nun mal die Realität. Die klassische Liebesbeziehung, wie wir sie aus unserer 'modernen Welt' kennen, existiert in Kolumbien nur sehr begrenzt. 

Jedenfalls haben wir uns blendend eingelebt in diesem einzigartigen Naturparadies. Bananenbäume, Mangos, Plátanos und jede Menge weiterer Obst- sowie Gemüsesorten werden hier angepflanzt. Auch Cannabis. Fließend Wasser gibt's vom Fluss. Eine Outdoor-Dusche sowie ein baño seco mit tollen Blick erinnern an die Naturverbundenheit von uns Menschen. Es dauerte ein paar Tage, bis sich die sieben Hunde, darunter fünf Babys, an uns gewöhnt hatten. An unserem ersten Arbeitstag sollten wir die Beete vom Unkraut befreien (Grasen, wie das meine Oma immer genannt hat) und anschließend mit Blättern auffüllen. Die Blätter dienen zum Einen als Hitzeschutz und zum Anderen als natürlicher Dünger. Mühsame Arbeit. Zum Glück durften wir die Folgetage mit dem Bau eines Lehmhauses verbringen. Das hat sehr viel mehr Laune gemacht. Schon faszinierend, wie man aus Dreck ein Haus bauen kann. Zunächst gräbt man ein großes Loch und befördert einige Eimer mit dem  rausgeschaufelten Lehm auf eine große Plane. Unter Zugabe von Wasser und getrockneten länglichen Blättern beginnt man mit dem Verstampfen. So lange, bis man beim Zusammenrollen einen schönen Dürüm rausbekommt. Danach formt man den Lehm mit den Händen zu Blöcken. Diese Naturziegelsteine werden dann unter Zugabe von reichlich Wasser 'aufgemauert'. Werkzeug benötigt man so gut wie gar nicht. Besser man macht alles von Hand, wie Juan uns erklärt hat. 

Besonders hervorzuheben ist das geniale Essen. Ständig frische Zutaten aus dem eigenen Garten. Dazu gab's frisch gespresste Säfte. Sagenhaft. So gut uns gesund habe ich noch nie gegessen wie in dieser Woche. Abends haben wir uns immer abgewechselt. Jeder durfte also mal kochen. Einmal haben wir Stockbrot am Feuer gebacken. Der Klassiker. Den Locals hat's gut geschmeckt. Dabei sei erwähnt, dass es in Kolumbien schlicht und ergreifend kein gutes Brot gibt. Dafür aber guten Kakao. Den Herstellungsprozess kann man sich auf der Kakao-Farm nebenan erklären lassen. Danach gab's eine Verkostung und ein Haut-Peeling. Schon verblüffend, wie anders Schokolade mit 90 % Kakao schmeckt. 

An unseren zwei arbeitsfreien Tagen haben wir uns auf den Weg nach Minca gemacht. Dieses Städtchen ist bekannt für die genialen Sonnenuntergänge und befindet sich nur knapp zwölf Kilometer entfernt von der Sierra Maestra. Der Hike sollte in die Geschichtsbücher eingehen...


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